Gemeindezentrum Freising I
Bebauungsstudie für die Stadt Freising
Anlass und Hintergrund
Die Befassung mit der vorliegenden baulichen Aufgabe begründet sich in zwei Anlässen. Einerseits wünscht sich die islamische Gemeinde in Freising schon seit vielen Jahren einen Ort, an dem ihre
Mitglieder zusammenkommen und ihre Religion angemessen ausüben können. Andererseits benötigt die Stadt Freising dringend eine große Anzahl an PKW Stellplätzen nahe der Innenstadt um diese angemessen
für den Individualverkehr zu erschließen.
Zwar gibt es heute schon einen Gebetsraum in einem bestehenden, in die Jahre gekommen Altbau, jedoch sind dieser und seine angrenzenden Räumlichkeiten nicht groß genug und entbehren dem baulich,
gestalterischen Anspruch, der an eine solche Nutzung gestellt werden darf. Gebäude und Grundstück gehören bereits der islamischen Gemeinde. Laut Stadtplanungsamt soll das Grundstück nördlich davon
von der Stadt Freising gekauft und das darauf befindliche Gebäude abgebrochen werden, sodass hier neue Möglichkeiten zur baulichen Nutzung entstehen können. Bündelt man beide Interessenlagen und
zukünftig zur Verfügung stehende Grundstücke könnte auf dem Areal oberirdisch ein Zentrum für die Gemeinde und unterirdisch eine mehrgeschossige Tiefgarage für die Stadt errichtet werden.
Städtebau und Baukörper
Das von der Gemeinde gewünschte Programm wurde im ersten Schritt aufgeteilt in die drei Nutzungsbereiche Gemeindezentrum - Sakraler Bereich, Gemeindezentrum Säkularer - Bereich und Wohnen. Diese
Sortierung sowie die im Rahmen der Bebauungsstudie zur Verfügung gestellten Grundstücke - die beiden oben beschriebenen sowie ein drittes derzeit als Parkplatz genutztes Grundstück gegenüber der
Wippenhauser Straße - ermöglichen es, die Funktionen in mehreren Gebäuden auf verschiedenen Grundstücken unterzubringen. Das Gemeindezentrum erstreckt sich über die beiden benachbarten Grundstücke
und setzt sich aus
mehreren Einzelbaukörpern zusammen, die sich um einen Innenhof gruppieren. Dadurch wird dem Bauwerk die Größe genommen und es erfährt eine Gliederung in ortsübliche Kubaturen. Die Baukörperhöhe
orientiert sich an den benachbarten drei- bis viergeschossigen Gebäuden. Durch die strenge Orthogonalität, Symmetrie und Nord-Süd Ausrichtung nimmt das Gebäude die Straßenflucht der Wippenhauser
Straße nicht auf. Das führt dazu, dass zwischen Straße und Gemeindezentrum ein Vorplatz angeboten werden kann, der nicht nur den Gemeindemitgliedern vorbehalten ist, sondern ganz im Gegenteil
explizit für die Begegnung der Kulturen gedacht ist. Von diesem kommt man über ein paar Stufen und durch die sichernde Pforte der westlichen Stadtloggia in den Innenhof des Gemeindezentrums. Auf der
anderen, östlichen Seite der Wippenhauser Straße wird ein zweites Gebäude platziert, das die von der Gemeinde gewünschten Appartements und Wohnungen beinhaltet. Durch die Straßenraum begleitende
Stellung des Baukörpers nahe an der westlichen Grundstücksgrenze wird hier kein Angebot an die Öffentlichkeit gemacht. Die Freiflächen zwischen Neubau und bestehender Kante der Kernstadt sind
vielmehr privat und dienen den Bewohnern als Garten und Aufenthaltsmöglichkeit. Für die zukünftige stadträumliche Entwicklung wird empfohlen, entlang der Wippenhauser Straße weitere Straßenraum
begleitende Gebäude zu setzen, so dass sich beiderseits bauliche Fluchten etablieren. Der Stadtraum vor dem Gemeindezentrum würde damit besser wahrnehmbar und der Vorplatz in seiner öffentlichen
Bewertung gestärkt werden. Es wäre zudem stadträumlich und nutzungstechnisch außerordentlich wünschenswert, wenn die südliche Seite des Vorplatzes baulich geschlossen und hier die Adresse einer
weiteren öffentlichen Einrichtung platziert werden würde.
Nutzungsverteilung und Erschließung
Vom Innenhof aus werden die beiden Bereiche des Gemeindezentrums erschlossen. Im Norden befinden sich alle säkularen Funktionen. Über den schnell zu erreichenden Gewerbeeinheiten, den
Aufenthaltsräumen und den Büros im Erdgeschoss befinden sich hier die Räumlichkeiten für Unterricht und Betreuung der Kinder sowie im zweiten Obergeschoss die frei einteilbaren Flächen für Kongresse
oder Veranstaltungen. Im Süden befindet sich der sakrale Teil des Zentrums. Die großen, zweigeschossigen Gebetsräume im Obergeschoss liegen über den Waschräumen und Räumen für die Jugendlichen.
Alle Nutzungseinheiten werden hier auf Grund der islamischen Traditionen jeweils zweimal, baulich getrennt für Männer und Frauen vorgesehen. Unter dem Gemeindezentrum ist gemäß den Bedürfnissen
der Stadt Freising eine mehrgeschossige Tiefgarage vorgesehen. Ein- und Ausfahrt müssen von der Schönmetzler Straße aus erfolgen und belegen damit einen Teil des Teil des Erdgeschosses. Der
fußläufige und barrierefreie Zugang zur öffentlichen Tiefgarage soll unabhängig vom Gemeindezentrum aus erfolgen und wird daher baulich getrennt davon auf dem Vorplatz platziert. Im Rahmen der
Bebauungsstudie wird von zwei Untergeschossen mit jeweils etwa 50 PKW Stellplätzen ausgegangen. Bei geeigneter Beschaffenheit des Baugrundes und höherem finanziellen Einsatz der Stadt Freising sind
hier auch ein bis zwei weitere Untergeschosse vorstellbar, was das Angebot an Stellplätzen nochmals merklich erhöhen würde. Gegebenenfalls könnte auch eine öffentliche Tiefgarage unter dem südlich
angrenzenden Grundstück über eine baulichen Anbindung im zweiten Untergeschoss erschlossen werden. Der Wohnbaukörper ähnelt in seiner wirtschaftlichen Organisation und Bauweise einem kleineren
Wohnheims. Seine insgesamt 27 Appartements und drei Zweizimmerwohnungen entsprechen mit ihrer gesamten Nutzfläche etwa 75 % der von der Gemeinde gewünschten Wohnfläche. Die flächenmäßige Reduzierung
des Programms ist der Angleichung des Gebäudes an das ortsübliche Maß der Bebauung geschuldet und wird als angemessene Antwort im Rahmen der Möglichkeiten des von der Stadt zur Verfügung gestellten,
zusätzlichen Baugrundstücks betrachtet.
Konstruktion und Material
Das Gemeindezentrum wird als Stahlbeton-Massivbau in monolithischer Bauweise errichtet. Die Oberflächen des hellen Betons bleiben zwar unverputzt werden jedoch in entsprechend hoher
Sichtbetonqualität ausgeführt. In die großen Öffnungen der betonsteinernen Primärstruktur werden anschliessend vollflächige Fassadenelemente aus Holz und Glas eingesetzt. Durch die Anordnung von
baulich neben- und hintereinander liegenden Festverglasungen, Öffnungsflügeln und Horizontallamellen werden der jeweiligen Nutzung geschuldete Kompositionen
entwickelt. Insbesondere die Steuerung des Ein- und Ausblicks wirkt sich hierbei gestaltbildend aus. Horizontale Oberflächen werden im Außenbereich mit hellem Naturstein (Travertin) und im Innenraum
mit zu den Fassadenelementen passendem Holz ausgelegt. Die konkav gerundeten Wandflächen der beiden Stadtloggien werden in Reminiszenz an die alten Moscheen des arabischen Kulturraums vollflächig mit
perlmuttartig schimmernden Mosaikfliesen besetzt. Im Zentrum des Innenhofs befindet sich eine übergroße Wasserschale aus anthrazitfarben beschichtetem Metall. Deren stetig überlaufender Wasserspiegel
sorgt für ein immer gleiches “Flüstern“.