Landratsamt Tirschenreuth Neubau Amtsgebäude IV
Art: nichtoffener Realisierungswettbewerb
Architekt: Schulz Harrer Architekten
Landschaftsarchitekt: BEM Landschaftsarchitekten, München
Visualisierung: Dipl.-Ing. Jörg Bruss Architekt
Tätigkeit: Konzept, Entwurf und Ausarbeitung
Platzierung: Ankauf
Städtebau & Baukörper
Die bestehenden Amtsgebäude I, II und III des Landratsamtes stehen zwar in einem losen Verbund zueinander, bilden aber dennoch unverkennbar eine zusammenhängende Gebäudegruppe. Diese gilt es mit dem
vierten Amtsgebäude zu ergänzen und zu komplettieren. Gleichzeitig soll das Raumprogramm möglichst effizient sortiert auf dem Gelände angeordnet werden. Hierbei war zu beachten, dass im Neubau auch
einige übergeordnete Funktionen wie die Cafeteria und der Seminarbereich untergebracht werden sollen. Um diese Zielsetzungen erfüllen zu können, wurde auf einen einfachen L-förmigen Baukörper
zurückgegriffen, der zusammen mit den bestehenden Baukörpern auf dem Areal einen zweiten inneren Bereich zwischen Gebäude III und IV bildet. An diesem neuen Platz befindet sich auch der Haupteingang
zum neuen Haus. Hierbei wurden die Abmessungen und die Baukörperhöhe an die bestehenden Gebäude weitestgehend angeglichen. Durch die Hanglage erscheint das Gebäude zur Platzseite hin dreigeschossig
und zur nördlichen Umgebung hin lediglich zweigeschossig. Dadurch gelingt es die Traufhöhen und damit den stadträumlichen Maßstab sowohl von Gebäude II als auch Gebäude III aufzunehmen. Es wurde
explizit keine der vorhanden Baukörperorthogonalitäten aufgenommen, um eine dadurch potentiell entstehende Paarbildung zu vermeiden. Die Entscheidung, die geneigten Dächer der Umgebung beim Neubau
nicht aufzunehmen und stattdessen ein Flachdach vorzuschlagen, ist der Wirtschaftlichkeit und der Anordnung eine größtmöglichen Photovoltaikanlage geschuldet. Die vom Auslober geforderte Tiefgarage
schiebt sich nördlich des neuen Amtsgebäudes unter das vorhandene Gelände und tritt somit baukörperlich und stadträumlich nicht in Erscheinung.
Freianlagen
Das Areal des Landratsamts wird eingegrünt durch einen äußeren Grünen Ring („Glacis“) im Übergang zur Landschaft (Netzbach und freie Flur). Die oberirdischen Parkplätze sind in das Glacis integriert.
Durchlässige, begrünte Beläge, artenreiche Wiesen und Baumpflanzungen tragen zur Eingrünung bei. Die Gebäude formen einen geschützten, verkehrsberuhigten Hof. Im Inneren des Areals entstehen
geschützte Freiflächen mit vielfältigen Aufenthaltsqualitäten für MitarbeiterInnen und die Öffentlichkeit. Die großzügigen Grünflächen mit schattenspendenden Bäumen und Sitzbänken laden zum Verweilen
ein. Die Innenhöfe werden durch unterschiedlich gestaltete quadratische Plätze bespielt, die die bestehenden Formen aufnehmen. Die wiederkehrenden Formen und Gestaltungselemente (Brunnen,
Regengarten, wassergebundene Decke, Baumhaine und Sitzbänke) verbinden bestehende und neue Freiflächen. Der Lichthof im Neubau mit Bodendeckern, Ziersträuchern und Fassadenbegrünung trägt zu einer
angenehmen Atmosphäre bei. An den beiden Erschließungsspangen sind 63 PKW-Stellplätze angeordnet. Ansonsten sind die Wege innerhalb des Areals verkehrsberuhigt (Fußgänger-, Radfahrer-, Anlieferung-
und Rettungsverkehr) und überwiegend barrierefrei. Fahrradstellplätze sind im Sinne kurzer Wege dezentral angeordnet und befinden sich entlang der Erschließungsspange sowie zwischen Neubau und
Amtsgebäude III. Zugunsten der Klimaanpassung wird die Versiegelung so gering wie möglich gehalten. Für PKW-Stellplätze und untergeordnete Wege werden durchlässige Beläge verwendet. So entsteht ein
hoher Anteil an unversiegelten, nicht unterbauten Grünflächen. Bestandsbäume werden möglichst erhalten und durch Neupflanzungen ergänzt. Zusammen leisten diese einen wichtigen Beitrag für ein
angenehmes Mikroklima bei Hitzetagen und dienen als Retentionsflächen bei Starkregenereignissen. Das begrünte Dach trägt zur Artenvielfalt und Klimaanpassung bei.
Gebäude - Funktion & Erschließung
Die im Programm geforderten Räume wurden auf den drei Ebenen des Amtsgebäudes so untergebracht, dass unter Beachtung von wirtschaftlichen Aspekten möglichst großzüge Funktionsbereiche angeboten
werden können . Auf der Ebene, die vom südlichen Platz aus als Erdgeschoss und vom Norden aus als Untergeschoss wahrgenommen werden wird, werden die gemeinschaftlich genutzten Räumlichkeiten
angeboten. Cafeteria und (dreiteilbarer) Seminarbereich liegen dabei wie gewünscht nebeneinander, sodass bei größeren Veranstaltungen oder gesellschaftlichen Anlässen beide Räume zusammengeschaltet
und auch vom Küchenbereich bedient werden können. Gleichzeitig liegen diese Räume so, dass Sie von Bediensteten und Besuchern gleichermaßen leicht vom Platz, dem angrenzenden Foyer und der
vorgelagerten Passarelle aus aufgefunden werden können. Auf dem selben Geschoss befinden sich darüber hinaus noch serviceorientierte Räume wie Hausmeister und Reinigung sowie die benötigten
Technikbereiche. Zur nördlich gelegenen, ebenengleichen Tiefgarage gibt es zwei barrierefreie Übergänge. Das neue Amtsgebäude IV ist zudem auf dieser Ebene nach Westen hin über einen unterirdischen
Verbindungsflur mit dem Amtsgebäude II barrierefrei verbunden. Die beiden darüber liegenden Obergeschosse werden über ein Haupttreppenhaus und einen barrierefrei gestalteten Aufzug am Foyer sowie ein
zweites Treppenhaus am Ende des Westflügels erschlossen. Dort werden sämtlich Räumlichkeiten der drei Abteilungen sowie die Registratur angeboten. Die winkelförmige Anlage des Gebäude ermöglicht eine
Unterscheidung in einen Westflügel mit Büroräumen für die Sachbearbeiter und einen räumlich aufgeweiteten Südflügel mit den Zimmern der Abteilungsleitern und den Besprechungsräumen, sodass
Gruppierungen und Koppelungen gleicher Raumtypen möglich werden. Die kleineren Büros der Sachbearbeiter werden über in Reihe geschaltete Verbindungstüren räumlich und fluchtwegstechnisch miteinander
verbunden.
Gebäude - Raum & Licht
Bei der Gestaltung des Gebäudes wurde insbesondere auf die räumliche Qualität und eine gute Versorgung mit natürlichem Tageslicht geachtet. Die lichte Raumhöhe wird mit 2,75 m leicht über dem
Standard angeboten und alle Büros und ständigen Aufenthaltsräume erhalten jeweils mindesten eins der raumhohen, in den Ansichten dargestellten Fensterelementen. Hierdurch erhalten die Zimmer mehr
Licht als in der ohne dabei den max. wirtschaftlichen Fensterflächenanteil von 50% zu überschreiten. Die gemeinschaftlich genutzten Räume im Erdgeschoss erhalten auf Grund ihrer Raumtiefe trotz
Vorsehung einer abgehängten Akustikdecke eine lichte Raumhöhe von 3,00 m werden zusätzlich von beiden Längsseiten aus natürlich belichtet. Dies wird ermöglicht über eine transparente Gestaltung der
Innenwand zwischen Passarelle und Seminarraum / Speisesaal sowie durch die Vorsehung eines gartenbautechnisch gestalteten Lichthofs. Auch die Verkehrsflächen und Treppenhäuser werden so angeordnet,
dass Sie jeweils stirnseitig auf eine Außenwand treffen. Die Lobbys in den Obergeschossen werden über ein Oberlicht und eine Lichtdecke aufgehellt.
Energieeffizienz & sommerlicher Wärmeschutz
Die Nachhaltigkeit des Gebäudes wird konsequent und umfassend in Hinblick auf das Niveau des aktuellen Gebäudeenergiegesetzes (GEG) und den energetischen Anforderungen aufgestellt und das Gebäude
geplant.
Mit einem Konzept für eine erhöhte Gebäudedichtheit werden die Lüftungswärmeverluste minimiert. Ebenso werden durch konstruktive Anordnung der Wärmedämmebenen und den Verzicht auf auskragende
Bauteile Wärmebrücken vermieden. Für die Wärmeversorgung wird die vorhandene und aus wirtschaftlicher sowie energetischer Sicht das bestehende Nahwärmenetz (zentrale Hackschnitzelheizanlage über
Contracting) genutzt. Sämtliche haustechnischen Anlagen sind in die Gebäudehülle integriert, um Wärmeverluste bei der Übergabe oder der Verteilung zu minimieren. Eine Lüftungsanlage für die Mensa
und
Seminarräume mit effektiver Wärmerückgewinnung reduziert die Lüftungswärmeverluste im Winter gegenüber einer natürlichen Lüftung erheblich und kann im Sommer zusätzlich für eine kontrollierte Nachtlüftung der Räume verwendet werden. Eine natürliche Belüftung der Räume im Sommer wird für eine optimale Nutzerzufriedenheit zusätzlich gewährleistet. Der Eigenenergiebedarf des Gebäudes wird mit der Eigenstromerzeugung mit PV Modulen auf der Dachfläche mit Zwischenspeichern reduziert. E-Lade- Möglichkeiten für PKW und E-Bikes werden in der Tiefgarage für die Mitarbeiter angeboten. Mit einem Fensterflächenanteil für die einzelnen Räume von rund 50 % wird ein optimales Verhältnis eines sehr guten sommerlichen Wärmeschutzes und einer effektiver Tageslichtnutzung zur Kunstlichtreduzierung erreicht. Alle Räume haben eine natürliche oder mechanische Möglichkeit der Nachtauskühlung. Durch die Verwendung von thermisch optimierten raumakustischen Maßnahmen können die Speichermassen der Wände und Decken effektiv für eine Nachtauskühlung genutzt werden, sodass die Räume der mittleren Bauart zuzuordnen sind. Die geplanten flexiblen Sonnenschutzmaßnahmen können auf die Witterungsbedingungen (Sonnenzustrahlung, Tageslichtversorgung) optimal angepasst werden. Mit den genannten Maßnahmen wird bereits ein sehr guter sommerlicher Wärmeschutz erreicht. Zusätzlich kann mit einer Absorptionskältemaschine im Sommer aus der Fernwärme Kälte erzeugt werden. Hiermit kann energieeffizient und wirtschaftlich in Räumen mit hohen interne Lasten über thermisch aktivierte Decken oder Umluftkühlgeräte zusätzlich der Komfort erhöht werden. Die Fassaden der Innenhöfe werden mit einer effektiven Sonnenschutzisolierverglasung großflächig transparent gestaltet und über Oberlichtern in den Flurwänden die Tageslichtversorgung in den angrenzenden Räumen verbessert. Mit angepassten Lüftungsöffnungen können in den Flurbereichen unbehagliche Temperaturen im Sommer vermieden werden. Um das energetische Konzept zu vervollständigen wird die Verwendung von nachhaltigen Baustoffen im Projekt berücksichtigt.